Sonntag, 12. August 2012

Für Eile ...

... fehlt mir die Zeit !!!


So auch der Titel eines gleichnamigen Buches, welches ich zwar vor einiger Zeit geschenkt bekam, jedoch bislang nicht gelesen habe.

Die Dinge in meinem kleinen beschissenen Leben überschlagen sich gerade. Da ist noch das unverarbeitete Zurückkommen aus Brasilenien, der Job in Good Old, in den ich mich erst wieder einfinden muss, die Casa, die zwar liebe, dennoch gerne verlassen würde wollen, das grosse dunkle, und vor allem schwarze Loch, in welches ich kürzlich gefallen bin und mich schwertu' genau da wieder rauszukommen!

Sack und Asche, was ist bloss los?
Das bisschen Grummeln im Magen kann doch nicht allein für diese Misere zuständig sein! Oder doch?

Gut, der Kulturschock reverse sitzt recht tief. Kleinbürgerlich und gutkariert empfinde ich das Fleckchen Erde, was ich vor 18 Monaten aus tiefster Überzeugung noch Heimat schimpfte. Inzwischen bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Wo gehör ich eigentlich hin? Gehör ich überhaupt? Hm, ich weiss es nicht, ich weiss es nicht.
Noch immer kreisen die Gedanken aktiv um meine Zeit in Brasilenien und auch Argentinien. Um die Menschen, die ich dort treffen und auch einen Teil meines Weges habe gehen dürfen. Einmal mehr lasse ich meiner Erinnerung freien Lauf und erschrecke ob der Tatsache, dass alles irgendwie, irgendwann und auch irgendwo endlich ist.
So ist zwar das tägliche Joggen nach getaner Arbeit geblieben, jedoch ist es nicht mehr DER Park, in welchem mir Marcio freundlich lächelnd begegnen könnte, oder aber Puerto Madero, Buenos Aires' schöner Hafen, an welchen ich zuweilen mit schmerzhaft, zurückdenke. Die Narben an meinen Kniene werden mich den Sturz am anderen Ende der Welt so schnell nicht vergessen lassen.

Zu all diesen meinen Gedanken gesellen sich allerdings auch die Nieniewieders. Nie wieder Feijoada in der 'Bar Veloso' essen, nie mehr wieder spontan mit Schavier ein paar Chopinhos trinken, nie mehr wieder im Condo am Pool liegen, nie mehr wieder in BsAs am Hafen Joggen gehen oder gar mit Annemarie einen auf 'Al Bundy' machen, nie wieder Pincanha in der 'Bar do Juarez', nie mehr Pamela, nie mehr 'Boa Noitschi', 'Internetschi' oder 'Fastschi Foodschi'. Nie mehr wieder mit Miriam über dies und vor allem über das reden ...Eine kleine Million weiterer Niewieders fallen mir noch, doch ich möchte euch nicht langweilen ... Ein kleiner, wenn auch schwacher Trost: Die persönliche Finanzkrise ist geblieben.
Es ist vorbei. Nie mehr wieder wird das, was ich dort hatte, zurückkehren.

Der Kopf allerdings ist noch immer nicht frei, um Neues hineinzulassen. Zu fremd ist das Bekannte zu Hause. Ich fühle mich verloren in einer Welt, ich zu kennen glaubte. Ich fühle mich fremd, unter Menschen, die ich liebe, schätze, kenne, vermisste.
Ich wünschte, hier kann es auch wie dort sein. Mal ganz davon abgesehen, dass ich sowieso in meiner einen Welt lebe, so wünschte ich, ich könnte in einer leben, in welcher all jene Menschen, die ich so gerne um mich herum habe, in greifbarer Nähe hätte.
Doch es versteht mich niemand.
Nein, das ist gewiss kein Vorwurf ... Wie kann mich denn einer verstehen, der nicht selbst mal in einer solchen Situation war? Nein, das wäre zuviel verlangt. Damit muss ich ganz allein klarkommen und ganz allein meinen Weg finden.

Ende letzter Woche überschlagen sich die Ereignisse und begraben mich unter einem Berg von Gedanken, Empfindungen und Gefühlen. Der Brustkorb zieht sich zusammen, mir fehlt die Luft zum Atmen. Ein Overflow und Overkill an Durcheinandergedanken, die zu sortieren ich mich nicht im Stande sehe. Ich fühle mich wie 'La Linea', das weisse Linienmännchen auf blauem oder grünem Hintergrund, das ständig irgendwelche Knüppel zwischen die Beine gezeichnet bekommt. Diesmal jedoch fühlt es sich eher an, als sei dem Maler der Weissstift ausgegangen ...

Zu allerersten mal verspüre ich das tiefe Bedürfnis, raus zu müssen. Meine Hintergrundfarbe zu ändern, die Weichen wieder neu zu stellen, einen persönlichen Reboot zu initiieren und das Betriebssystem wieder komplett hochfahren und alle anstehenden Updates zu installieren. Erst als alle Updates zum Installieren bereit standen, durfte das System abgeschaltet werden.
Und das geht am Besten so: checken, wie viele freie Tage mehr noch drin sind, mal kurz das nicht vorhandene Geld zählen, damit ich weiss, bis wohin es langt, ein bisschen telefonieren und dann buchen.

Kärnten. Cluburlaub.
Kleines beschissenes Leben, was willst Du mehr?
Spiel, Spass, Spannung. Ruhe bei Bedarf. Stille. Grün. Wiesen, Felder und Auen. Ich kann es mir, so ich denn mag, aussuchen.
700 ungefahrene Kilometer liegen am vergangenen Freitag vor mir. Doch freu mich auf die Fahrt. Me, myself and I sind allein, Musik ist dabei, die Durcheinandergedanken im Gepäck und irgendwie weiss kaum jemand, dass ich dann mal weg bin. Während ich fahre, versuche ich das Max an gebotenen Landschaftseindrücken mitzunehmen. Das ist nicht wie in Südamerika. Schon gar nicht wie in Sao Paulo. Der Chiemsee - verdammt lang ist es her, dass ich den gesehen hab und plötzlich finde ich mich in einer Kulisse wieder, die mich so dermassen umhaut, dass ich es selbst kaum glaube. 'La Linea' ist weg - stattdessen hat Bob Ross die Pinselführung übernommen und mich heimlich still und leise in die Österreichische Landschaft gemalt. Genauer gesagt, nach Kärnten. Sachte tupft er noch ein paar Wölkchen an den Himmel, dort einen kleinen Vogelschwarm und mir ein Tränlein, welches mir aus dem linken Augenwinkel läuft. Das grün ist so grün, dass es grüner schon nicht mehr sein kann. Ich meine es durch meine Augen hindurch riechen zu können. Es flasht mich - wie man so neudeutsch sagt.

Singleurlaub. Cluburlaub. Ob das was kann?
Noch weiss ich es nicht, werde mich überraschen lassen. Jedenfalls bin ich weg von zu Hause, habe die Möglichkeit einen temporären Strich unter mein europäisches und südamerikanisches Leben zu setzen und den Reboot zu starten. Es macht mir ein klein wenig Angst, die nächsten Tage in dieser Idylle mit mir ganz allein zu verbringen, bin ich es doch schon gar nicht mehr gewohnt, so viel Ruhe um mich herum zu haben. Was stell ich nur mit mir an? Doch erst mal ankommen ... Einchecken ... Zimmer beziehen. Ein hübsches Zimmer. Sogar mit Treppe zur Schlafstube. So, wie ich das haben mag. Das gefällt mir.
Auspacken. Ankommen. Und dann malt Bob das nächste Bild und mich direkt auf den Wanderweg zur nächsten Alm. Am Mann trage ich nichts anderes, als meine Klamotten und inmitten der Natur lass ich den Gedanken, dem Leben und und und freien Lauf.

Zwei Tage und etliche Aktivitäten später spüre ich Körper Geist und Seele. Vollzeit Sportprogramm und Extrem Outoor Aktivitäten ergeben sich einfach. Ich plane nichts, gebe dem nach, wonach mir der Sinn steht.
Allmählich löst sich der Knoten. Langsam fällt das Atmen wieder leichter, wenngleich der Ursprungszustand noch nicht ganz hergestellt ist. Doch es wird. Das merke ich. Doch ich merke auch, dass ich mir Zeit geben muss. Und etwas ganz wichtiges lerne ich. Ich lerne zu entschleunigen. Zumindest in diesen Tagen auf der Alm. Der Weg ist das Ziel. Das Ziel zu mir.

Gut ist, was gut tut.

Gehabt euch wohl,
Eure Jana