*Quote*
„Das
Schlimmste an einer schlaflosen Nacht sind die letzten zehn Minuten bevor der
Wecker klingelt. Genau in diesen zehn Minuten findet der Körper endlich Schlaf.
Man bekommt also eine Ahnung davon, wie schön es gewesen wäre.“
*Quote end*
Aktuell
mein täglich Brot. Und da nur, weil wohl das L-Thyroxin in meinem Körper zu
hoch dosiert ist und ich deshalb des Nachts keinen Schlaf finden kann.
Seit
10 Minuten weiss ich, dass mir weitere 4 Wochen Experimentieren bevorstehen.
Erst wenn ich „stabil“ bin und ich wieder durchschlafen kann, kann die
Schilddrüse erneut geprüft werden …
Doch
dies sei nur am Rande erwähnt.
Seit
geraumer Zeit passiert so gar nichts Aufregendes mehr in meinem kleinen
beschissenen Leben. Also zumindest nichts, worüber zu schreiben, es lohnen
würde.
Doch
heute scheint wohl die grosse Ausnahme zu sein. Diese lässt mich sogar mal
wieder vollständig aus meinem derzeit vorherrschenden Internetkoma auferstehen
zu lassen.
Mit
dem Knopf im Ohr betrete ich die heiligen Hallen meiner Firma. Hier ein „Hallo
Dietmar“, dort ein „Hola, como estas?“ und am Ende noch ein „Hello Jasmine, it’s
so good to see you!“. Die ganze Welt scheint mal wieder in Ludwigshafen zu Gast
zu sein.
Mein
Tagwerk beginne ich damit, meine Kurzreise nach Frankfurt vorzubereiten und
während ich noch mit einem Kollegen telefoniere, souffliert mir unsere
Assistentin ins Ohr, meine koreanische Kollegin sei unter Polizeischutz in die
Firma gebracht worden, sitze nun samt Polizei beim Werkschutz und ob ich denn
da nicht mal nach dem Rechten sehen könne.
Aber
natürlich. Dafür sind Kollegen doch da. Ich schnappe mein Hab und Gut und das Jackett
und eile 4 Stockwerke nach unten. Meine Kollegin sitzt zusammengekauert mit
heruntergesunkenen Schultern im Stuhl, während dieses Prachtstück von
Polizeimann (der sah aber auch verdammt gut aus !!!!) vor ihr steht. Natürlich
habe ich H. zunächst getröstet und mich dann um die Details gekümmert, die mir
dieser wahnsinnig interessant aussehende Polizist ausführlich erzählte.
Folgendes
ist passiert:
Zwischen
0700 und 0710 wurde H’s Handtasche entwendet, also geklaut, während sie sich am
Frühstücksbuffet noch etwas zu Essen holen wollte. Mitten im Hotel. Direkt beim
Frühstück. Morgens in Deutschland.
Was
für ne Sauerrei ist das eigentlich????
Unglaublich.
Widerlich. Einfach „bäääääh“!!!
Pfui.
Doppelpfui.
Dummerweise
hat die Gute so ziemlich alles im Handtäschlein mit sich getragen. Reisepass.
Kreditkarten. ID Card. Ihre Hochzeitsuhr, deren Batterie sie tauschen wollte,
weil die Zeit stehen blieb.
Verdammt.
Da
sitzt nun diese kleine, zierliche Koreanerin vor mir und weckt wohl so eine Art
Muttergefühle. Sie wirkt nicht wie eine grosse, erwachsene Frau von 40 Jahren.
Nein, eher wie ein kleines Mädchen, das man einfach beschützen und in den Arm
nehmen muss. Sie weint. Doch sie lässt sich in den Arm und an die Hand nehmen,
obwohl dies in ihrer koreanischen Heimat so gar nicht üblich ist.
Man
mag es nicht glauben, an was man alles denken muss, wenn man den Ersatz
organisiert. Ich studiere den Polizeibericht und wähle zu allererst die Nummer
des koreanischen Konsulates. Herr Li spricht akzentfreies Deutsch und gibt
Anweisung, sie solle morgen dort vorstellig werden, um einen Notfallreisepass
zu beantragen. Die Schwierigkeit, vor der wir stehen: Sie ist Koreanerin,
derzeit nach Hongkong delegiert und benötig eigentlich ein Visum, bzw. eine ID
Card. Und so klären wir, ob sie überhaupt mit dem Notfallpass nach Hongkong
einreisen darf. Sie darf.
Puuuuh
– erst mal keinen Flug umbuchen.
Dann
muss die Ausländerbehörde verständigt werden, denn schliesslich fehlt ihr der
Einreisestempel im neuen Reisedokument. Diese kümmert sich um die
Ausreisegenehmigung, damit es nicht zusätzliche Probleme gibt.
Mit
dem Hotel komme ich überein, dass ausnahmsweise eine Rechnung an die Firma
geschickt wird, damit diese anderweitig beglichen werden kann. Geht ja
eigentlich auch nicht anders, wenn keine Kreditkarte mehr zur Verfügung steht.
Am
Ende leihe ich ihr noch 200 Euro (der Betrag, der ihr mitgestohlen wurde),
damit sie morgen den Pass zahlen kann und sich die nächsten Abende noch
ernähren kann.
Meine
Kollegen sind sensationell. Sie verteilen ihre Telefonnummern, bieten Hilfe an,
laden sie zum Essen ein, trösten sie.
Und
H. weint. Weint vor Rührung und erzählt mir vorhin, wie sehr sie es bereut,
noch letzte Woche im Interkulturellen Workshop gesagt zu haben, sie fühle sich
manchmal isoliert, wenn sie in Deutschland ist.
Ach,
ich kann ihr so gut nachfühlen. Weiss doch gerade ich, wie wichtig
Unterstützung in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht spricht, ist.
Und
gleichzeitig bin ich so furchtbar sauer – also stinksauer – auf diese Person,
die sich in einem renommierten Hotel an Dingen vergreift, die ihm / ihr nicht
gehören.
200
Euro und 2.000 HK Dollar? Ist es das wert????
Gehabt
euch wohl.
PS:
Bleibt zu hoffen, dass sich der Herr Polizeimann noch meldet … Vielleicht
findet sich ja die Tasche wieder … Hoffentlich mit dem Pass und der ID Card
drin …